Görlitzer Straße

Görli, Görli! Wäre die Neustadt eine Zeitung, entspräche die Görlitzer Straße der Klatschspalte. Hier fließen Hektoliter Bier in den Rinnstein, hier werden Straßenbahnen unzüchtig berührt, eröffnen samtrote Clubs, fuchteln Messerstecher, weht der Dungduft Panamas und schließt das Blue Note Nachtschwärmer in seine starken Arme.

Die Clubs, Bars und Fressstationen wechseln schneller im Ringelpietz ihre Adressen als die C-Promis einer Daily Soap die Geschlechtspartner. Mit dem Unterschied, dass in der Bermuda-Dreiecks-Kiste das Ende nicht abzusehen ist.


Neustädter Lieblingsblick mit Park und Kirche im Hintergrund.

Neustädter Lieblingsblick mit Park und Kirche im Hintergrund.

Broiler, Burger, Blues; Mampfen, Meutern und Melancholie. Die Görlitzer Straße ist ein Pflaster für jede Wunde (hat man keine, schlägt man sich eine) und blickt man hinauf zu den erleuchteten Fenstern der Anwohner, fragt man sich, wer das aushält. Und wie.

Die Wandfarbe ist in den meisten Etablissements kaum trocken (wahrscheinlich hält sich auch deswegen der geliebte Farben-Voigt so erfolgreich), da steht schon der Nachmieter klopfend vor der Tür. Queens, Amsterdam, Reisekneipe, Evergreen – es öffnen und schließen sich Türchen wie in einer Kuckucksuhr und tatsächlich wäre ein Walk of Fame für alle hartnäckigen und von uns gegangenen Namen eine Idee, die die „Görli“ von Krawalleck bis Alaunpark mit Sternchen tapezieren würde.


Pawlow hält sich, gegenüber ist Kneipenwechsel angesagt, der nächste Versuch startet in Kürze.

Ein wirr blinkendes huldigte davon dem „Pawlow“, aus dem auch bei geschlossenen Türen der Duft biergetränkter Dielen und schwarzgerauchter Wände entweicht, eines den stets gestressten Pizzabäckern von Eva und ihrem bomfortionösen Business. Ein Stern ginge an das Modeatelier „wahlverandt“, deren zauberhafte Hüllen niemand fallen lassen möchte, einer selbstverständlich an das schlauchige Zille.

Gleich zwei bekämen Blue Note und Lebowksi zugesprochen, deren bloße Nennung eine Dia-Show im Kopf auslöst, die zwischen charmant und scheußlich bei jedem sicherlich eine breite Palette ambivalenter Erinnerungen auslöst (wenn denn noch welche vorhanden sind).

Einsen mit Sternchen bekommt die kleine Leinwand des Thalia, auf der sich Großes abzuspielen pflegt. Wunderbar übrigens, dass die nackte Kaffeetrinkerin nun männliche Gesellschaft hat! Wie schön hängt es sich dort mit verklärten Blick am Tresen, wenn die einzelnen Bilder im Kopf nachflackern und der Filmbetrunkene mit dem Interieur verschmilzt, selbst ein Bild für alle Gehwegläufer.


Was wäre die Straße ohne

Was wäre die Straße ohne „13“

Das Continental bekommt einen für seine schmackhaften Frühstückangebote, gleich danach jeweils einer für die Kachelwände von Kochbox und Kantine. Oh Sinfonie zwischen pappigen Brötchenhälften! Spargel und Sauce Hollandaise – die Verburgerung des Essens schreckt vor nichts zurück. Die Veränderbar wird besterntalert für ihre Lesungen und Stoner Rock im Schummerlicht.

Böhme, auch einer für dich, weil du bewiesen hast, dass das Konzept von Luft und Liebe durchaus eine Entsprechung in raffiniertem Essen finden kann. Und natürlich ein bisschen für die Sprüche an den schwarzen Tafeln, die spirituelle Kühlschrankmagneten ersetzen.

Das Steakhouse bekommt keinen (hatte das überhaupt auf?), dafür aber der Früh- und Spätshop 18b. Ach, so könnte man ewig fortfahren. Zum Beispiel mit der Linie 13.